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Gewerkschaftliche Suche nach dem heiligen Bank-Gral

Gewerkschaftliche Suche nach dem heiligen Bank-Gral

(Entstehungsgeschichte derSyndicom/SP- Initiative für eine Postbank)

 

Seit 2001 führt eine unsichtbare Hand die leitenden Instanzen von Syndicom (ehemals Gewerkschaft Kommunikation) hin zur Schaffung einer Postbank, ganz im Sinn der Konzernleitung Post und der Spekulanten.

 

Zweifel der Linken unter den Tisch gewischt

 

Anfänglich stiess diese Hand auf heftigen internen Widerstand, sowohl bei Syndicom als auch bei der SP. Am Gewerkschaftskongress 2003 erhielten die Gewerkschaftsleitung und Christian Levrat keine Unterstützung für eine Postbank. Die unsichtbare Hand und Christian Levrat machten trotzdem weiter in ihrer Suche nach dem Bank-Gral.

 

Bei der SPS musste sich die unsichtbare Hand ebenfalls ins Zeug legen, um der Partei den Wettlauf hin zu einer Postbank aufzudrängen. Am 9.April 2005 nahm ein SP-Ständerat folgendermassen Stellung: „Wir stehen erst am Anfang eines politischen Prozesses voller Möglichkeiten, den Triumphmarsch hin zu einer Postbank AG komplett aufzuhalten...“ Auch da war die unsichtbare Hand stärker und die SP Schweiz singt momentan einstimmig das Loblied auf eine künftige Postbank.

 

Eigenkapital: ein Fass ohne Boden

 

Um ohne Staatsgarantie auszukommen muss Postfinance kolossale Eigenkapitalsummen aufhäufen. 2003 schätzte sie die Post auf 1,5 Milliarden. 2009 waren es schon 2 Mia., 2010 3,5 Mia. Und Ende 2011 4 Milliarden, die es schätzungsweise für eine Postbank AG braucht. Die Post hat unterdessen rund 4,5 Mia. Eigenkapital abgesahnt und angehäuft – aber wie eigentlich? Indem sie

-          einen Teil ihres Familiensilbers (Immobilien) verkaufte

-          mehr als die Hälfte der schweizerischen Poststellen zumachte

-          ihr Personal schlechter stellte, abwertete, abbaute, prekarisierte (die Post ist in der Schweiz der grösste Kunde bei Temporärfirmen im Arbeiterausleih-Geschäft)

-          ihre Kunden zur Kasse bat (das Magazin „Saldo“ titelte am 19.Januar 2011: „Die Postkunden finanzieren eine fiktive Bank“)

 

Um das finanzielle Resultat von Postfinance zu schönen (um sie künftigen Partnern präsentabler zu machen) und jenes der Poststellen zu trüben, hat die Post die internen Verrechnungspreise für die vom Poststellennetz für Postfinance verkauften Finanzprodukte drastisch gesenkt. Beispiele: zuerst bezahlte Postfinance für die Eröffnung eines Sparkontos der Postfiliale 115.- , ein Jahr darauf nur noch 37.- . Der Abschluss eines Sparfonds brachte ‚Poststellen und Verkauf’ 187.- ein, ein Jahr später noch 48.- . Ebenso seltsam ist es, dass die Einzahlungen am Schalter dem Poststellennetz ein Defizit bescheren, bei Postfinance aber einen Gewinn generieren.

 

Die Postbank und das Poststellennetz

 

Wir haben es eben gesehen: Postfinance vergrössert und bereichert sich auf Kosten des Poststellennetzes. Die Initiative von Syndicom und SP schafft da in keiner Weise Abhilfe; sie sieht nicht vor, dass die Poststellen Agenturen der Postbank werden, was ihnen eine entscheidende Aufwertung brächte ( und den Leuten auf dem Land einen guten Service).

Wie steht es um die künftige Präsenz von Postfinance in den Poststellen? Das Angebot von Postfinance-Dienstleistungen bei den Postfilialen verkleinerte sich von Jahr zu Jahr mehr. Dort dürfen nur noch gewöhnliche Sparkontos eröffnet werden; für alles andere werden die Postbenützer in die grösseren Städte verwiesen, wo sie sich bei den Postfinance-Centers umschauen sollen. Was Post und Bundesrat, mit dem Segen eines Parlaments im Schlafzustand, für die Zukunft planen, ist noch schlimmer: die Postverordnung sieht nur noch etwa 1000 Postbüros vor, wo Barzahlungen möglich sind.

 

Das Modell „Deutsche Postbank“

 

So lautete im Juni 2001 der Titel der ersten Nummer von ‚Futuro’, einem Programm von Postfinance, das die Verdienste und Vorteile der Umwandlung der Deutschen Postbank in eine eigenständige AG  (von der Deutschen Post getrennt) in höchsten Tönen lobte. Man sah darin den Weg, den auch Postfinance einschlagen sollte. Ein gutes Beispiel, tatsächlich: neun Jahre später war die Deutsche Postbank so angeschlagen, dass sie – selber schon im Besitz von 30% ihrer Aktien – ein öffentliches Uebernahmeangebot machen musste. Die Deutsche Post AG musste selber ihr Portemonnaie auch noch locker machen, um die Postbank zu rekapitalisieren. (Anmerkung: damit sie schliesslich nach aussen verkauft werden konnte.)

 

Widerstand von Gewerkschaften und Volk

 

Die Schweizerinnen und Schweizer haben nie eine Postbank gewollt. 2009 waren in einer Umfrage des Instituts GFS nur 38% für eine solche Bank, 55% aber dagegen.

Auf gewerkschaftlicher Seite gab und gibt es bei Syndicom Widerstand und Kritik. Bei der Autonomen Pöstlergewerkschaft, dem Syndicat Autonome des Postiers, sprach sich die Generalversammlung einstimmig gegen die Schaffung einer Postbank aus. Damit folgt die SAP/APG übrigens dem Beispiel der Gewerkschaft SUD-PTT in Frankreich.

 

Die unsichtbare Hand demaskieren

 

Man fragt sich also, was die Gründe sind, welche die Verantwortlichen von Syndicom und SP antreiben, mit solcher Inbrunst das Loblied auf ein Instrument des Kapitalismus zu singen, welches eine Grossbank unweigerlich ist – mit allen oben erwähnten Risiken verbunden, hier nachfolgend zusammengefasst:

-          Börsengang samt Oeffnung für Fremdkapital

-          Verlust der Staatsgarantie

-          Operative Trennung von der Post und Privatisierung

 

Um den Schuldigen zu finden (die unsichtbare Hand), muss man die Triebfeder suchen. Ein Börsengang der Postbank würde der Eidgenossenschaft Milliarden einbringen (siehe Swisscom, die seitdem kein Service-Public-Unternehmen mehr ist).

 

Und jetzt, wem nützt die verbrecherische Tat?

 

Mai 2012

Syndicat Autonome des Postiers/Autonome Pöstlergewerkschaft

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